What goes down must come up...
Ganz allein dieser ungemein originelle Spruch im Visitor Center des Grand Canyon NP inspiriert uns so sehr, dass wir uns für einen Abstieg in eben diesen Canyon entscheiden.
Stimmt so natürlich nicht ganz.... Es war wohl eher der atemraubende Anblick der tiefen, gewaltigen Schluchten und die flächenmäßig riesengroße Ausdehnung des Canyons, die uns bei unserem ersten Besuch Anfang Februar dazu inspiriert haben. Mother Earth scheint hier in ihre Tiefen blicken zu lassen. Wir ergattern ein Permit für Mitte Februar und fahren erstmal weiter.
„Normalerweise“ gibt es zwei große Themen beim Wandern im Grand Canyon: nicht zu überhitzen/sich zu überanstrengen und nicht zu verdursten. Diverse Warnschilder weisen auf diese Thematiken hin. Bei der
Vorbereitung der Wanderung hatten wir ein etwas anderes Anliegen: nicht zu erfrieren…
Na gut, vielleicht etwas übertrieben, aber schon die erneute Anfahrt zum National Park (NP) Ende Februar in einem fetten Schneesturm (und wenig Sicht) stellt unsere Motivation etwas auf die Probe. Sogar der NP ist mit dem Wetter überfordert und muss einen Teil der (auch am nächsten Tag noch ziemlich vereisten) Straße fast einen Tag lang sperren.
Am Morgen unserer dreitägigen Wanderung packen wir bei immer noch -12 Grad und Neuschnee unsere Rucksäcke.
Aber: Der Wille ist wie immer groß und so marschieren wir am späten Vormittag bei einem netten Sonne-Wolken-Mix los.
Vorbei an Gesteinsschichten, die 270 Millionen Jahre alt sind, vorbei an welchen, die 525 Mio. Jahre alt sind, immer weiter – bis wir nach 11km, knapp 1500 (!) Höhenmeter Abstieg (ja, das ist genauso anstrengend, wie es sich anhört…) und stets coolen Blicken in alle möglichen Richtungen beim auffallend grün-blauen Colorado River und den ältesten Gesteinsschichten ankommen: Die Vishnu Basement Rockes sind satte 1,840 Milliarden Jahre alt (1,840,000,000)!!!
Und egal, wie alt man sich nach dem Abstieg physisch fühlt – im Angesicht dieser Steine ist man einfach blutjung. Man tut sich übrigens einen sehr großen Gefallen, wenn man ganz trendig im Hier und Jetzt bleibt und nicht dran denkt, dass man diese Höhenmeter ziemlich zeitnah auch wieder aufsteigen darf…
Überraschung
Wer in Geografie (oder in Physik oder im Leben) zufällig gut aufgepasst hat, weiß etwas, was schon am Morgen unser Herz zum Jubilieren bringt: pro 100m Abstieg steigt die Temperatur um ca. 1 Grad!!! Die seit Wochen wärmste Nacht wartet auf uns – was für ein schöner Kontrast zur letzten Nacht!!
Als wir dann noch feststellen, dass der (eigentlich „primitive“) Campground mit dem wunderschönen Namen „Bright Angel“ mit einer Toilette mit Wasserspülung, elektrischem Licht und einem Waschbecken mit fließend Wasser und Spiegel ausgestattet ist, staunen wir Bauklötze. Es wird also nicht nur die wärmste, sondern auch seit Ewigkeiten die komfortabelste Nacht, was die sanitären Anlagen angeht. Ehrlich gesagt können wir ganz grundsätzlich, vor allem aber beim Wandern sehr gut drauf verzichten…
Es ist ziemlich voll, die ca. 30 Plätze des Campgrounds sind fast ausgebucht. Insgesamt finden wir den heutigen Abschnitt sehr voll, denn neben den Menschen, die von ganz unten wieder aufsteigen, kommen uns auch viele Leute entgegen, die eine Tagestour gemacht haben, also „nur“ ein gewisses Stück absteigen und dann wieder hochlaufen. Allerdings ist das wohl relativ zu betrachten: Auch hier sind wir eigentlich in der low season am Start (auch wenn es sich für uns eben nicht so anfühlt) – im Frühjahr, Sommer und Herbst sieht es hier ganz, ganz (ganz) anders aus…
Tag 2
...könnte als ziemlich harmlos bezeichnet werden – wenn da nicht der saftige, heftige Muskelkater vom Abstieg wäre…
Wir wandern bei fast blauem Himmel und angenehmen Temperaturen ein kleines Stück am Colorado River entlang und steigen dann auf guten 7km gute 400 Höhenmeter zum nächsten Campground auf. Zumindest ein kleiner Trost, dass beim Aufstieg überwiegend andere Muskeln arbeiten als beim Abstieg 🙂
Der Indian Garden Campground ist eher nach unserem Geschmack: Er ist etwas kleiner, liegt schöner und ist außerdem bei weitem nicht ausgebucht. Nachdem wir unsere Beine (und die restlichen Muskeln) überredet haben, machen wir noch eine Wanderung (5km) zu einem Aussichtspunkt und werden nicht nur mit wirklich fantastischen Ausblicken und leuchtenden Felsen beim Sonnenuntergang belohnt, sondern noch mit einer echten Rarität: Wir sehen aus ziemlich geringer Entfernung einen California Condor!!!
Kleiner Schlaumeier-Exkurs: Nachdem der Vogel fast ausgestorben war (1982 gab es weltweit, also inkl. aller Zooexemplare, nur noch 22 Vögel) wurden sie 1996 nach einem Aufzuchtprogramm in Arizona, Utah, California und Mexico ausgewildert. 2011 wurden wieder ca. 70 freilebende Condore in Arizona und Utah gezählt! Die Spannweite dieser RIESIGEN Vögel beträgt schlappe 3 Meter (also Marcus plus noch nen guten Meter!!!). Es ist schwer beeindruckend, diesen Vogel, der manchmal als kleiner Drachen bezeichnet wird, seine Kreise ziehen zu sehen…
Tag 3
ist der Tag, den man gerne verdrängen würden: Der restliche Aufstieg. Ich persönlich mag hoch zwar lieber als runter, aber nach 1000 Höhenmeter verteilt auf 7km spürt man unweigerlich, was man getan hat…
Das Wetter heute kann als Fluch oder als Segen bezeichnen werden: Zunächst ist es nur bewölkt (bei noch guter Fernsicht, aber wenig leuchtenden Felswänden), nach ca 600 oder 700m Aufstieg zieht es allerdings komplett zu. Wir verschwinden in den Wolken, Schneetreiben setzt ein und es ist wieder empfindlich kalt und windig.
Der Vorteil: Wir begegnen nur einigen unerschrockenen Wanderern, die mehrere Tage unterwegs sein wollen. Tageswanderer sind bei der schlechten Sicht verständlicherweise kaum unterwegs. Ich verbuche das Wetter deswegen einfach mal als Segen. Trotzdem denken wir oben angekommen etwas wehmütig an die lauen Temperaturen der letzten Tage…
sooo interessant!
:-))) Liebe Grüße, Anja